AUSZÜGE AUS BERNHARD BETTERMANNS TAGEBUCH
WÄHREND DER DREHARBEITEN




MINSK, DEN 12.02.00, 21.20 UHR
…Die Einsamkeit beginnt schon an mir zu nagen. Die permanente visuelle und schriftliche Befeuerung durch Forell macht sich bemerkbar. In einer Stunde beginnt der Dreh. Beeindruckende Massenszene, riesiger Drehort vor dem Fenster meines Wohnwagens…

00.30 UHR
…Ich muss ruhig bleiben, meinen Job machen, Kraft sparen und gesund bleiben. Mit 200 Komparsen um ein Lagerfeuer stehen, ein Hauch von Romantik in einer unwirtlichen Welt.
Überhaupt: Das Thema unseres Filmes wird mich noch des öfteren mehr beschäftigen als mir lieb ist, zu existenziell leben wir es nach. Kaum vorstellbar, wie die Männer dieses Leben ertragen haben. Ein rasches Ende erschien vielen sicher als himmlische Fügung. Meine Augen fallen zu, der wenige Schlaf fordert sein Tribut. Ich bin gespannt, wie dieser Film am Schluss aussieht…

NÖRDLICH VON ARCHANGELSK, DEN 06.04.00,19.35 UHR
…Ich schaue auf eine lichtüberflutete Schneefläche, höre auf meinem leicht angeknacksten Notebook eine CD und versuche, meinen Wodka- und Forell-geschädigten Kopf für ein Resümee des heutigen Tages fit zu kriegen…Ach, ich freue mich auf Zuhause! Hardy hatte ein glückliches Händchen die letzten beiden Tage. Gut, dass wir mal aus Minsk weg sind. Intensiv war diese Szene, diese Location, ohne Zweifel. Allein der Hubschrauberflug! Einfamilienhaus am Himmel. Am Arsch der Welt…Starke Bilder. Eismeer faszinierend und doch nicht bedrohlich. Keine Kanalisation, kein Telefon, aber Strom!

NARJAN MAR, DEN 16.04.00, 10.15 UHR
…Der gestrige Abschied von Krasnja geriet zu einem unglaublich bewegenden Erlebnis. Erst die Drehnacht bis 4.30 Uhr, dann maximal 2 Stunden Schlaf, Tanz- und Gesangseinlagen unserer russischen Freunde, Ira (Anm: Irina Pantaeva) in Tränen, ihr "Dirda" voller Energie und Dankbarkeit für Geld und Erlebnis. Tja, und dann die "Pressekonferenz" im Dorftheater! Mit Podiumsdiskussion! "Mnje nada idti" - Ich konnte meinen einzigen russischen Satz anbringen! Vergessen waren die Enttäuschungen, die Entbehrungen der Dreherei. Nur noch das Erlebnis einer gemeinsam durchlebten Zeit stand im Raum und verband die Völker. Und Ira im Mittelpunkt, sie steht für diese Verbindung von Ost und West. Einzigartig.

PETROSAVODSK, DEN 09.07.00, 09.07 UHR
…Die Nacht im Zug verbrachte ich schlaflos. Nach 10 Tagen zu Hause bin ich wieder in der Fremde, seit 38 Stunden unterwegs zum Drehort. Frankfurt Flughafen - im Hotel übernachtet - Flug nach St. Petersburg - Nachtzug und nun Hubschrauber. Typisch und doch immer wieder zuviel.

BOROWOY, DEN 12.07.00, 18.40
…Schlafen im Waggon ist eine Zumutung, sanitäre Anlagen gleich null, Hygiene kaum möglich. Ich sitze am Drehort. Wir kommen gut voran, es ist anstrengend. Regen, unglaublich viele Mücken, Hitze, viel Arbeit. Noch 3 Drehtage für mich - überschaubar und doch nicht kalkulierbar. Fax an Zuhause. Nur noch dieses eine Mal durchhalten, dann ist das Schlimmste überstanden. Was für ein merkwürdiges Land das hier ist. Wie kann man hier leben? Die paar Tage erscheinen mir wie Wochen…Welch eine Kraft hatte dieser Forell.