Auszüge aus dem Produktionstagebuch
Seite 6/9
30. JUNI 2000
Nachdem nun also der sechste Monat unserer Dreharbeiten angebrochen
ist, fragen wir uns langsam, ob und wie wir die Weiten Russlands
überstehen werden. Nie war uns Clemens Forell's "So
weit die Füsse tragen" näher. Unser Hauptdarsteller
Bernhard Bettermann darf aufgrund der Produktionsumstände
die Kunst des Method Acting in höchster Form erlernen. In
Usbekistan wollte Bernhard wirklich nur noch eines: schnellstens
heim zu seiner Familie.
Usbekistan
ist eine Reise wert, wenn man sich nicht zum falschen Zeitpunkt
am falschen Ort aufhält. Das Land kommt wirtschaftlich noch
nicht richtig auf die Beine und eine radikale islamische Minderheit
versucht, sich die Situation mit 60% Arbeitslosigkeit für
ihre Interessen zunutze zu machen. Die Strategie, in diesem unsicheren
Land möglichst reibungsfrei produktiv zu sein, hieß
UNDERCOVER. Unsere Getreuen aus Minsk veränderten die Produktionsdaten,
so dass wir für die usbekischen Behörden ein historisches
Heldenepos der Roten Armee drehten, produziert als Koproduktion
Belarusfilm/Moskau/Usbekfilm unter der Regie unseres russischen
Produktionsleiters. So konnten wir uns auf alte Bruderschaften
berufen, wenn mal Not am Mann oder an der Sache war. Bei 45°
im Schatten bewies das russische Team erneut seine besondere Zähigkeit.
Erst als am abschließenden Hauptmotiv BRÜCKE dazu noch
der Schatten rar wurde, kippten die Ersten um.
Weitaus bedenklicher war für uns die politische Lage. Die
Medienzensur in Usbekistan war konsequent aus alten Tagen herübergerettet
worden, so dass Informationen über auftretende Anschläge
islamischer Terroristen nur gelegentlich über mehr oder weniger
vertrauenswürdige Quellen durchsickerten. Nervös machte
uns vor allem, dass die Brücke in den Bergen Richtung Kasachstan
ein militärisches Kernziel der Terroristen darstellte.Deshalb
erhielten wir auch nur eine vorläufige Drehgenehmigung, die
stündlich widerrufbar war.Denn die Militärs hätten
jederzeit eine Evakuierung vornehmen können. Am zweiten Tag
marschierte tatsächlich eine Einheit an der Brücke auf.
Glücklicherweise wurden wir nur Zeugen eines Trainingprogramms.
Trotzdem: Nichts für schwache Nerven.
In Taschkent wurde uns nach langer und sensibler Intervention
erlaubt, in einem Mausoleum aus dem 14. Jahrhundert zu drehen.
Auf diesem geheiligten Boden wurde bisher nur einmal vor einigen
Jahren gedreht. Die Firma ging damals an dem Projekt Konkurs.
Damit UNS also Allah gewogen bleibt, erklärte sich der Hüter
des Mausoleums bereit, vor Beginn des ersten Takes eine Gebetszeremonie
abzuhalten, in deren Verlauf ein Schaf geopfert wurde. Dem Schaf
wurde relativ schmerzfrei die Kehle durchtrennt und am nächsten
Tag wurde das Fleisch dem ganzen Team in speziellen Teigtaschen
serviert. Egal, wieviel Erfolg dieser Film haben wird: Allah wird
bei uns sein....
|