ROMAN UND DREHBUCH IM VERGLEICH



Romanauszug zu
68. AM LAGERFEUER AUSSEN/NACHT


Hej, hej!" Das ist der Ruf, den Forell eben schon zweimal gehört hat. Von irgendwo, weiter entfernt, ruft noch ein Mann.

Wie furchterregend ein niedergebranntes Lagerfeuer die mildesten und harmlosesten Dinge doch verzerren kann! Was eben noch so grässlich anzusehen war, ändert Gesicht und Gestalt im unbewegten Hinstarren: das Tiergesicht über der zottigen Halskrause ist kein böses Gesicht; es hat den glänzenden Blick eines Rehes, dem nicht einmal das kräftige Astwerk des Geweihes sehr viel furchterregenden Ausdruck zu geben vermag. Das Tier scheint sich zu wundern über den Menschen, der bei seinem Feuer liegt und langsam in dem matt gewordenen Dämmer erkennt, dass hinter dem Geweih die Gestalt eines Mannes aufragt. Der Mensch scheint auf dem Tier zu sitzen.

Der Mann - das einzige, was an seiner Stimme auffällt, ist ein ausgesprochen hoher Klang - sagt etwas in Richtung auf den biwakierenden Fremden hin. Die Modulation läßt etwa erkennen, daß die unverständlichen Worte eine Frage bedeuten.

"Ich bin unterwegs", sagt Forell, "und ich habe mir hier ein Feuer gemacht, um nicht zu erfrieren."


Drehbuchauszug zu
68. AM LAGERFEUER AUSSEN/NACHT

Ein Feuer brennt. FORELL liegt auf dem vom Schnee befreiten Boden, mit dem Mantel zugedeckt. Stiefel und Kleidungsstücke sind zum Trocknen auf Aststücken ausgebreitet. Forell scheint zu schlafen. Plötzlich ein Geräusch - Forell blinzelt. Im selben Augenblick stürzt sich ein massiger Mann auf ihn: SEMJON. Forell tritt Semjon weg - rollt sich zur Seite und richtet sich auf. Er bekommt einen Schlag mit dem Gewehr ab, das ein zweiter Mann in den Händen hält: ANASTAS. Forell fällt rücklings in den Schnee. Die Beiden stehen vor ihm - sehen abwartend auf ihn herab. Semjon grinst - Anastas hält das Gewehr nachlässig in der Hand. Forell macht eine scheinbar unsinnige Geste - er langt mit der Hand in seine Unterhose - so als wollte er prüfen, ob noch "alles da" wäre. Es richtet sich was auf - ein Schuss kracht. Die Kugel fetzt einen Zweig weg - dicht über den Köpfen der Beiden. Sie starren auf das Loch in Forells Hose - der Pistolenlauf zeigt sich.

FORELL
Das Gewehr weg! Los!

Anastas, völlig überrumpelt, lässt das Gewehr fallen. Forell zieht die Hand mit der Nagan hervor und steht auf - sofort zum Schuss bereit.

FORELL
Zurück! Los!

ANASTAS
(besänftigend) Schon gut, schon gut!

SEMJON
Wir wollen nichts von dir...siehst du - Semjon zieht das Messer vom Gürtel und wirft es vor sich auf den Boden.

ANASTAS
Wir sind nur auf dem Weg zu unserem Lager... haben das Feuer gesehen...

SEMJON
Und dachten, da müßten wir mal schauen, wer da so sorglos wie ein Kind ist. Du musst aufpassen. Hier streift so manches Gesindel durch die Wälder...entflohene Zwangsarbeiter.

FORELL
Ein Lager...was für ein Lager?

ANASTAS
Goldgräber sind wir...den Sommer über waschen wir nach Gold, im Winter jagen wir.

SEMJON
Komm, sei unser Freund... Semjon streckt Forell die Hand entgegen. FORELL Eine falsche Bewegung, und...

SEMJON
Sei unbesorgt.

Plötzlich fährt ein Windstoß durch die Bäume - Semjon schaut zum nächtlichen Himmel.

SEMJON
Der Sturm kommt... Wir müssen uns einen sicheren Platz suchen.

FORELL
Weit und breit keine Wolken zu sehen.

ANASTAS
Wie du meinst. Aber er hat immer recht, wenn's ums Wetter geht. Anastas bückt sich nach seinem Gewehr - blickt dabei zu Forell.

FORELL
Das kannst du dir später noch holen - hau ab!

Wieder ein Windstoss.Anastas folgt Semjon zu einer mit der Wurzel ausgerissenen Birke. Die zwei kauern sich in die Mulde. Jeder von ihnen hat einen Packsack auf dem Rücken, auf den Zeltplanen geschnürt sind. Sie ziehen eine Plane wie ein Schutzdach über sich.

Forell zieht sich währenddessen an. Er schultert seinen Rucksack und verschwindet im Dunkel des Waldes.

...


Auszug mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Lübbe.